R. Zoozmann                        Casellas Lied

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

O meine Tochter, nimm zur Hand die Laute,

Sing aus der Jugendzeit mir das Gedicht:

Die Liebe, die zu mir im Geiste spricht,

Wie es Casella einst in Tönen baute.

 

Als mir der Himmel von Florenz noch blaute,

Als von des holden Wesens Angesicht

Ein reiner Glanz mich traf wie Maienlicht,

Geschahs, daß Amor mir dies Lied vertraute.

 

Doch wie im Herzen mir aus Amors Munde

Der Einzigen Lob auch wundervoll erklang,

Mein armes Wort nicht konnt es widerspiegeln.

 

Da wußte seine Schönheit zu entsiegeln

Casellas Kunst in wohllautreichem Sang;

Drum sings -: es ist ein Pfand geweihter Stunde.

 

 

 

 

 

R. Zoozmann                        Der Dichterlorbeer

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

Die Feder führen und den Degen schwingen

Ist eine frische, frohe Tätigkeit;

Ich übte beides zu gelegner Zeit:

Wie Schwerter ließ ich die Terzinen klingen,

 

Und meinen Pallasch durch das Panzerkleid

Dem Feind in kühngeschwungnem Rhythmus dringen.

So darf ich auch um mein Gewaffen schlingen

Den Lorbeer, den mir Campaldin geweiht.

 

Zwar habt ihr die Sonette und Kanzonen

Aus meiner Vita Nuova gern gelobt,

Wie ihr auch die Komödie oft erhobt;

 

Doch mit dem Lorbeer wollt ihr mich nicht lohnen:

Als Dichterschmuck ward er noch nicht erprobt –

Er schlingt sich nur um Feldherrnstab und Kronen.

 

 

 

 

 

 

R. Zoozmann                        Aug in Auge

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

 

Wär ich, wie einst, ein frischverwegner Reiter

In blondem Haar mit krausgelocktem Bart,

Und träte mir auf meiner Lebensfahrt

Der Tod entgegen, der vermummte Streiter,

 

Ich zagte nicht und forderte ihn heiter

Vor meine Klinge nach Soldatenart,

Die nicht mit ihrem bißchen Leben spart:

Ich oder du! Und bleibe ich, was weiter?

 

Doch, wurden mir auch braun die blonden Locken,

Die Braunen grau, ob Kraft und Pulse wichen

Und längst kein Schwert mehr führte diese Hand,

 

Nicht fürcht ich ihn, er mich! – Auf leisen Socken

Kommt feig er, hinterrücks mir nachgeschlichen,

Bis mich sein giftiger Anhauch übermannt.

 

 

 

 

 

 

 

R. Zoozmann                        In Verzückung

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

 

Oft denk ich dran, was meinen Geist beschwingte,

Was mir Toskanas süßen Laut erschloß...

Florenz hielt ein Turnei, von Waffen blinkte

Der Festplatz, Ritter sprengten hoch zu Roß:

 

Mir aber war ein kleines Buch Genoß,

Draus Weltvergessen mir entgegenwinkte,

Daß mir Musik und Spiel vorüberfloß,

Und ich nicht merkte, was mich laut umringte.

 

Ja, von der None bis zur Vesper saß ich,

In Jacopones Liederbuche las ich,

Bis ich entschlußgeschärft mich heimwärts wandte

 

Und umgoß in Toskanas traute Klänge

Aus Latiums Laut die ersten Höllensänge:

So weckte Jacopone den Durante.

 

 

 

 

 

 

R. Zoozmann                        Lehrer, nicht Bettler

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

 

Es zeigt sich mir, von Sonnenlicht erhellt,

Ein lieblich Bild in meines Fensters Rahmen:

Ein landmann schreitet durch das Ackerfeld

Und streut gelassener Hand umher den Samen.

 

So hab auch ich den Acker hier bestellt,

Und liebe Schüler warens, die – vom Namen

Durantes angelockt, die Brust geschwellt

Von Willensdrang – in meine Lehre kamen.

 

O welche Wonne, mit der Wahrheit Hammer

Den Born der Weisheit aus der Felsenkammer

Zu schlagen, um die Durstigen zu beglücken!

 

Nicht sollte mich des Bettlers Los bedrücken,

Der trocken Brot erweicht mit nassem Jammer –

Ich durfte säen und die Früchte pflücken.

 

 

 

 

 

R. Zoozmann                        Die Grabschrift

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

 

Wenn ich gestorben und den Frieden fand,

Den ich von Welt zu Welt am Wanderstabe

Rastlos gesucht, so geb auf meinem Grabe

Wer drunter liegt dies Epitaph bekannt:

 

„Nach Menschenmaßstab von des Glückes Hand

Niemals beschenkt, beraubt der irdischen Habe,

An Liebe arm, reich an Apollos Gabe,

Verklagt, verkannt, verurteilt und verbannt –

 

Dankloser Mitwelt liegt zum Vorwurf immer

Ein Mann hier, der sich selbst verleugnet immer,

Nie an sein Ideal verlor den Glauben,

 

Nie seine Überzeugung ließ sich rauben,

Dem Vaterlande weihte seine Kraft,

Der Freiheit, Religion und Wissenschaft.“

 

 

 

 

 

 

 

R. Zoozmann                        Die Komödie

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

 

Dies Lied, an dem ich sieben Jahre schrieb,

Vollendet hab ichs in en jüngsten Tagen,

Und dafür muß ich Dank dem Himmel sagen,

Daß mir solang noch Kraft dazu verblieb.

 

Ein großer Baum fällt nicht auf einen Hieb,

Und immer wieder heißts, von frischem wagen;

Und wollt ich am Vollenden oft verzagen,

Wars Kraft von oben, die ans Werk mich trieb.

 

So laß ich dieser Welt, was ich dort unten

Und was ich droben sah: aus eignem Herzen,

Aus wenig Freuden und aus vielen Schmerzen,

 

Wirkt ich den Teppich euch, den farbenbunten,

Aus reichlicher Erfahrung bittern Lebens –

Nun nehmt es hin und leset nicht vergebens.

 

 

 

 

 

 

R. Zoozmann                        Vermächtnis

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

 

Ja, nimm sie hin, die Dichtung, die ich schrieb,

Dankloses Volk; du hast es nie vertragen,

Wollt ich in Prosa dir die Meinung sagen,

In schönen Versen ist dir Schelten lieb!

 

Und wird die Wange unter meinem Hieb

Dir öfter rot, sollst du dich nicht beklagen

Und denken, wenn dich meine Hand geschlagen,

So war es Liebe, die sie dazu trieb.

 

Ich war kein Mann der Einsamkeit dort unten,

Ein Mann der Tat und liebte nicht, zu scherzen,

Mein Wort war eine Waffe, blank und erzen;

 

Und wenn ihr im Gedicht, dem lebensbunten,

Nahrhafte Kost entdeckt redlichen Strebens:

War ich euch Freund und Lehrer nicht vergebens!

 

 

 

 

 

 

R. Zoozmann                        Selbstportrait

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

 

Daß Schöpfer und Geschöpf doch allzu selten

Einander gleichen mögen! Kleingestaltig,

Gebogner Nase, Mund und Wangen faltig,

Muß ich mich auch noch krum von Rücken schelten.

 

Die Augen aber, hoff ich, läßt man gelten:

Sie blicken frei, wenn auch nicht grad gewaltig,

Und immerhin ein wenig tief-inhaltig –

Sie sahen ja die Reiche der drei Welten.

 

Die Stirne hoch, nachdenklich, etwas narbig,

Ein großes Kinn, das Antlitz dunkelfarbig,

Die Unterlippe trotzig vorgestreckt -:

 

So malte mich wohl keiner in Gedanken;

Und gleich im Werte meine Werke sanken,

Weil ihn mein Bild enttäuscht und abgeschreckt.

 

 

 

 

 

 

R. Zoozmann                        Heut und Einst

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

 

Ließ ihr mein Lied nicht ewige Dauer sprießen,

wer läse je die Chronik meiner Tage,

Wo alles widerscholl vom Schwerterschlage,

Wo Mord und Schlacht geherrscht und Blutvergießen?

 

So mußte ungehört mein Lied verfließen,

Denn Waffenlärm erstickte meine Klage;

Wo auf- und niederschwankt Bellonas Wage,

Pflegt man der Nachtigall sich zu verschließen.

 

Fremd diesem Volk, der Zeit und ihrem Tun,

Klirrte umsonst das Schwert mir um die Hüfte;

Doch wird mein Lied, wie der Monarch der Lüfte,

 

Am Himmel ferner Zeiten schwebend ruhn,

Ein wolkenspaltender beschwingter Bote:

Er sah voraus, welch Unheil euch bedrohte.

 

 

 

 

 

 

R. Zoozmann                        Verzicht

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

 

Nehmt diese Krone hin, die mich nur drückte

Mit ihrer Last, nehmt diese Krone hin;

Aus ihrer Macht erwuchs mir kein Gewinn,

Ihr Glanz erstrahlte nicht, daß er mich schmückte.

 

Der Lorbeerzweig, den ich mir selber pflückte,

Entspricht als Dichterkrone meinem Sinn;

Er ist’s, drauf ich so stolz im Herzen bin,

Als ob mich Phöbus selbst damit beglückte.

 

Im Reich der Poesie bediademt

Zum König, doch verkannt; als Mensch verfemt,

Verleumdet und beraubt all seiner Habe,

 

So ging ich durch das Leben; doch bequemt

Ihr euch zur Buße einst an meinem Grabe,

Sagt ihr mir späten Dank für meine Gabe.

 

 

 

 

 

 

 

R. Zoozmann                        Die heilige Zahl

1863 – 1934                                           Aus „Dantes letzte Tage“

 

 

Zur neunten Stunde sah man heimwärts gehen

Des Heilands Seele zu den Himmelsscharen;

Neun Monde braucht das Leben zum Entstehen,

Neun Musen sind es, die der Künste wahren.

 

Ich war neun Jahr, als ich zuerst gesehen

Die selige, und wieder nach neun Jahren,

Zur neunten Stunde, ist es mir geschehen,

Daß ich von ihr besondern Gruß erfahren.

 

Am neunten Tage wars im neunten Mond,

Als voll zum neuntenmal die Zehn geworden,

Da sie sich trennte von den Diesseitsborden,

 

Die hoch jetzt überm neunten Himmel thront;

Im neunten Monat will auch ich mich trennen,

Der Neun hochheilige Wurzel zu erkennen.

 

 

 

Richard Zoozmann              Dante

1863 – 1934

Es wandeln zu Ravenna holde Frauen,

Gleich Lilien schlank und anmutsvoll entsprossen;

Und wie die Sonne strahlend lacht vom blauen

Lenzhimmel, lacht ihr Auge lichtumflossen.

 

Da naht ein Mann. Hoch, hager -: anzuschauen

Wie ein antikes Bild, in Erz gegossen;

Es thront erhabner Ernst auf seinen Brauen –

Die Nase scharf, die Lippe herb geschlossen.

 

Das Adlerantlitz mit den Adlerblicken

Hält er gesenkt, - indes sein Haupt umspinnt

Die Sonne, ihn mit goldnem Kranz zu schmücken.

 

Die Frauen stehn in ehrfurchtsvollem Bangen,

Und eine raunt: „Die Füße dessen sind

Durch Höllengraus zum Paradies gegangen.“